Ein Beitrag zum Terror der frühkapitalistischen Zentralregierung Frankreichs gegen Autonomie, Freiheit und Selbstbestimmung der Pariser Commune 1871
Es folgen Redebeiträge der anarchistischen Gruppe Regensburg sowie Infomaterial der Regensburger Veranstaltung vom 17.05. 2021 anlässlich des Jahrestages zu 150 Jahren Pariser Commune.
Teil 1: Historischer Abriss
Teil 2: Anarchistische Aspekte
Teil 3: Frauen in der Pariser Commune
Teil 4: Was hat’s uns gebracht?
Teil 5: Das große Commune Quiz!

Teil 1: Historischer Abriss
Vorgeschichte
Hallo Genoss*innen, um euch die Geschichte der Pariser Commune etwas näher zu bringen, wollen wir euch hier einen kurzen historischen Abriss geben.
Versetzen wir uns ins Jahr 1870, es ist September und zwischen Deutschland und Frankreich wütet ein sinnloser Krieg. Aufgrund der vielen Niederlagen der französischen Armee und der Angst vor einer deutschen Besatzung wird eine neue Republik und ein Abgeordnetenhauses ausgerufen, da man dem monarchistischen System unter Napoleon dem III. keine kriegerischen Erfolge mehr zutraut. Zudem gibt es bereits starke radikal-demokratische Fraktionen, die aufgrund ihrer Not und teils unter der roten Fahne Selbstbestimmung und freie Wahlen fordern. Die neue Republik setzt den Krieg fort, einerseits aus nationalistischen Gründen, andererseits um sich dem monarchistischen Einfluss Deutschlands unter Otto von Bismarck zu widersetzen. Am 11. September formierte sich aber bereits eine inoffizielle Gegenregierung mit der Forderung nach Kommunen (autonome Selbstverwaltungen) als totalen Gegensatz zur neuen Zentralregierung und der Monarchie.
Mit der Ausrufung der neuen Republik folgt auch die Bildung einer Nationalgarde. Diese ist deutlich attraktiver als Fabrikarbeit aufgrund höherer Besoldung. Daher war der Einfluss von Arbeiter*innen von Anfang an ziemlich hoch und Teile der Nationalgarde waren äußerst revolutionär. Hauptsächliche Ziele der Revolutionär*innen waren: Krieg bis zum äußersten, Verteidigung der Kommunen, Ablehnung der Monarchie und der zentral verwalteten Republik. Man kann die Stimmung der Revolutionäre mit den Worten Auguste Blanquis, einem Vertreter der späteren Commune gut beschreiben: „ Die Abgeordnetenversammlungen sind eine verbrauchte, verdammte, schlechte Mode, nicht bloß in Zeiten der Krisis, in Zeiten des Krieges, sondern zu allen Zeiten.“ Dagegen ein Zitat Jules Ferrys aus der Zentralregierung: „Die Bataillone, die sich eben bilden, sind ohne Soldaten; die Bataillonschefs ernennen sich selbst oder lassen sich von einer Handvoll Freunde ernennen.“
Im Januar 1871 erfolgte ein Waffenstillstand zwischen Frankreich und Deutschland mit der dt. Forderung nach Entwaffnung. Die Nationalgarde wurde aber nicht entwaffnet aus Furcht vor revolutionären Erhebungen und Bürgerkrieg gegen die Zentralregierung. Drei Monate später wurden die meist bürgerlichen Bataillone aus Paris abgezogen, wodurch Revolutionäre Nationalgardisten kräftemäßig überlegen waren. In der gleichen Nacht wurden sofort nach Abzug der Deutschen Armee Polizeiposten gestürmt und Waffen in erheblichem Maße erbeutet und verteilt. Überläufer schlossen sich den Revolutionären an, was eine deutliche Kampfansage an die frisch gewählte zentralistische Nationalversammlung war.
Zum Zündfunken des Aufstands wurde der Versuch der Zentralregierung, der Nationalgarde die aus den Beständen der Armee geplünderte Artillerie wieder zu entreißen.
Am 10. März vereitelte der Hauptausschuss der Nationalgarde den Versuch die stationierten 227 Kanonen auszuhändigen. Schließlich meuterte auch noch die zentralistische Restarmee und nahm ihren eigenen Kommandanten fest. Gleichzeitig wurde auch noch der systemtreue ehemalige Befehlshaber der Nationalgarde bei einem Spaziergang festgenommen. Beide wurden noch an Ort und Stelle erschossen und in der Folge wurden Polizei und Ministeriumsposten besetzt.
Die radikalsten Kräfte forderten den sofortigen Marsch auf Versailles und der Absetzung der Zentralregierung, der aber nicht unternommen wurde. Die Organisierung einer vollständigen Autonomie der Stadt verbrauchte zu viel Ressourcen, um die politische Revolution in ganz Frankreich sofort zu verwirklichen. Es kam nur zu wenigen Versuchen der Etablierung einer Kommune-Herrschaft in anderen französischen Städten, und diese wurden bis auf Lyon auch schnell von der Regierung niedergeschlagen.
Unter den Pariser Kommunard*innen herrschte Einigkeit bei dem Ziel, die gerade erlangte Autonomie von Paris um jeden Preis und notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Außerdem war man sich in dem Bestreben einig, als gewählte Körperschaft des Volkes die Schaffung von menschenwürdigen sozialen Verhältnissen zur Aufgabe zu haben.
Am 18. März 1871 versuchten nochmals Regierungstruppen die Pariser Nationalgarde zu überfallen, um sich der Geschütze zu bemächtigen; der Anschlag misslingt und löst die Volkserhebung in Paris aus; die Regierung flieht schließlich nach Versailles. Das Zentralkomitee der Nationalgarde ergreift die Macht.
Und damit kommen wir zu den eigentlichen Tagen der Pariser Kommune.
Tage der Pariser Commune
Errungenschaften, Auseinandersetzungen sowie die Bezugnahme zum Anarchismus. An dieser Stelle verweisen wir auf die restlichen Beiträge zu den Errungenschaften, Auseinandersetzungen sowie die Bezugnahme zum Anarchismus. ↓ siehe Redebeiträge weiter unten ↓
Sebastian Haffner über die Pariser Kommune: „Man könnte sagen: Das 20. Jahrhundert begann am 18. März 1871 in Paris. In den 72 Tagen der Pariser Kommune ging es zum ersten Mal um die Dinge, um die heute in aller Welt gerungen wird.“
Der Terror der Zentralregierung beginnt mit einer Aufstellung einer Armee in Versailles zum Kampf gegen das revolutionäre Paris. In Versailles treffen die ersten von O. v. Bismarck freigelassenen französischen Kriegsgefangenen ein, die zum Kampf gegen die Kommune eingesetzt werden sollen. Es erfolgt ein erster Angriff auf Paris.
– Sperrung alle Lebensmitteltransporte, um Paris auszuhungern.
– Bombardierung von Paris
– Massenmorde & Erschiessungen von Kommunard*innen, auch vor Kindern wurde nicht haltgemacht
– Erbitterte Barrikaden- Häuser- und Strassenkämpfe bis zur vollständigen Eroberung.
Aber nun genug der historischen Fakten, jetzt kommen wir noch mal genauer zu den Errungenschaften und Zielen der Pariser Commune, die wir euch nicht vorenthalten wollen und an denen wir uns heute noch ein Beispiel nehmen.

Teil 2: Anarchistische Aspekte
Warum beschäftigen wir uns als Anarchist*innen mit der Pariser Kommune? Warum ist sie wichtig für die anarchistische Geschichtsschreibung und welche Momente, Ideen, Aktionen der Kommune waren anarchistisch?
Die Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft ohne Staat und Obrigkeit gibt es seit der Antike. Als sich im 18. Jahrhundert der Kapitalismus als Wirtschaftssystems durchzusetzen beginnt, wurde die Ablehnung dieses Systems Teil der anarchistischen Theorie. Im 19. Jahrhundert wurden dann die großen Werke zur Analyse des Kapitalismus, der bürgerlichen Gesellschaft und des Problems mit dem Privateigentum geschrieben. 1864 gründete sich die Erste Internationale. Anarchist*innen und Marxist*innen strebten in dieser Organisation die Emanzipation und Befreiung der Arbeiter*innenklasse an.
In diese Entwicklung fällt das große Projekt der Pariser Kommune. Sie war der erste Versuch in Europa, den Kapitalismus und die Herrschaft durch den Staat zurückzudrängen und durch Selbstverwaltung und Kollektivierung von Betrieben zu ersetzen. Es war eine sozialistische Revolution und manche sprechen von der ersten Arbeiter*innenrepublik der Welt.
Einige Mitglieder der Ersten Internationale waren von beginn an aktiv in der Pariser Kommune. Insgesamt waren von 101 Mitgliedern des Kommunalrats 21 entschiedene Sozialisten und Teilnehmer an der Internationalen Arbeiterassoziation. So prägten auch anarchistische Ideen ihre Gestaltung.
Es war jedoch keine große Gruppe von bewussten Revolutionär*innen, die die Kommune schuf, sondern vor allem das zunächst unpolitische Volk. Durch ein Grundgefühl für die tägliche Ungerechtigkeit – und natürlich auch die Erfahrung der materiellen Not – politisierten sich die Menschen und entschieden, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Sie erkannten, dass sie von Staatsoberhäuptern und Besitzbürger*innen, für die sie täglich bis zu 16 Stunden für einen Hungerlohn schufteten und sich trotzdem kaum die Miete leisten konnten, nichts zu erwarten hatten. Sie erkannten auch, dass sie in einem Krieg bloß Kanonenfutter unterschiedlicher nationalistischer Kräfte waren. Die Pariser Kommune hatte zwar die Weltrepublik vor Augen, aber als Ganze noch keine konkrete Vorstellung davon, wie eine Arbeiter*innenorganisierung und Selbstverwaltung aussehen könnte. Die Menschen waren sich in dem einig, was sie ablehnten und wollten “das gute Leben für alle”. Auf dieser Basis entstand das Projekt ihrer Selbstverwaltung. So gibt es denn auch viel berechtigte Kritik an der Kommune, z. B. dass trotz aller basisdemokratischer Grundzüge ein staatsähnliches Gebilde aufgebaut wurde. Solidarische Kritik an der Kommune findet man zum Beispiel bei den anarchistischen Theoretikern Kropotkin und Bakunin. Hier werden wir jetzt nicht näher darauf eingehen. Wir wollen uns mehr den fortschrittlichen Aspekten der Kommune widmen, denn trotz aller Kritik gibt es viel Positives über sie zu berichten und wir können anarchistische Grundzüge in ihr erkennen.
Ein solcher ist das bereits beschriebene Bewusstsein der Menschen, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen. Sie weigerten sich zu dienen, weder in der Fabrik noch auf dem Schlachtfeld. Sie wollten von ihrer eigenen Arbeit leben können, Frauen forderten Gleichberechtigung, Kinder sollten mehr Rechte bekommen. Außerdem sollten alle Menschen ein Dach über dem Kopf haben. Alle Menschen sollten vollständig am Gemeinwesen teilhaben können.
Die Kommune war darüber hinaus ganz klar antinational. Der Sturz der Vendôme-Säule, ein französisches nationalistisches Symbol zu Ehren Napoleon des I., zeigt das deutlich. Kommunard*innen wollten die Weltrepublik ohne Nationen, das heißt, sie wollten eine Welt von frei organisierten Kommunen, die einander in Geschwisterlichkeit begegnen. Dieses Bewusstsein ist – manchen Menschen damals war das klar, manchen nicht – von Grund auf anarchistisch. Es geht um Gerechtigkeit zwischen alt und jung, zwischen den Geschlechtern und zwischen Personen unterschiedlicher Herkunft. Es geht darum, dass Wohlstand für alle da sein muss und Krieg falsch ist. Er dient nur den Herrschenden und Gewalt findet ihre Berechtigung nur in der Selbstverteidigung. Die Kommunard*innen erkannten, dass es Strukturen braucht, in denen sie selbst genau diese Ansprüche umsetzen können.
Ansätze für solche Strukturen wurden dann auch in der Kommune geschaffen, nämlich mit dem Kommunalrat. Dieser beschloss Dekrete zur direkten Verbesserung des Lebens der Menschen. Inhalt dieser Dekrete, die sich mit den damaligen anarchistischen Ideen zum Umbau einer Gesellschaft deckten, waren folgende:
– Staat und Kirche wurden getrennt, der Religionsunterricht verboten. Damit wurde entsprechend der Idee der Aufklärung Wissenschaft zum Kern von Bildung.
– Kinder aller Schichten bekamen die Möglichkeit, zur Schule zu gehen.
– Das stehende Heer wurde zugunsten einer Volksmiliz abgeschafft. Das bedeutet, es gab kein Militär mehr und die Verteidigung der Kommune wurde durch die Menschen selbst vorgenommen.
– Leerstehende Gebäude wurden enteignet und Obdachlosen zur Verfügung gestellt.
– Die Arbeitszeit wurde deutlich, von 16 auf 10 Stunden, verkürzt.
– Die von ihren Besitzern verlassenen Werkstätten und Fabriken wurden an die Kooperativgenossenschaften übergeben.
– Arbeiter*innen-Lesehallen und -Klubs zur Bildung der Bevölkerung wurden organisiert.
– Die Nachtarbeit der Bäckereigesell*innen wurde abgeschafft.
Der Aufbau des Kommunalrats selbst ist außerdem interessant:
Zur seiner Wahl gab es den Aufruf, dass die Menschen nur die Kandidaten wählen sollten, die das selbe Leben teilten wie die Wähler*innen. Diese Idee ist etwas ganz anderes als die gängige Demokratie-Vorstellung, das vermeintliche Expert*innen in den Parlamenten entscheiden sollen.
Für den Kommunerat galt das imperative Mandat. Das bedeutet, gewählte Kommune-Mitglieder können wieder abgewählt werden.
Außerdem verdienten die Mitglieder nur so viel wie ein durchschnittlicher Arbeiter.
So verstehen wir die Pariser Kommune also nicht nur als wichtigen, sondern sogar notwendigen Teil der sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Geschichte. Einige Grundzüge unserer Utopie wurden erprobt, einiges nicht und wir können viel daraus lernen.
Am Ende soll nur kurz das Manifest der Künstler*innen der Pariser Kommune aus dem April 1871 erwähnt werden, das wir uns genauso auf die Fahnen schreiben können:
In der Kommune ging es um die “Herstellung eines gemeinsamen Luxus zum Glanz der Zukunft und der Weltrepublik” (April 1871).
Wir wollen also nicht nur die Beseitigung von Armut, sondern wir wollen, damals und heute, Luxus für alle!

Teil 3: Frauen in der Pariser Commune
Die Situation der Frauen war in jener Zeit denkbar schlecht. Die Armut hat sich durch alle Lebensbereiche gezogen und zu größtmöglicher Ausbeutung geführt. Frauen mussten neben Kindern und Haushalt bis zu 13 Stunden täglich Erwerbsarbeit leisten und das zum halben Lohn von Männern: teils außerhalb der Wohnung, teils in Heimarbeit – viele mussten sich auch, um überleben zu können, prostituieren.
Während der preußischen Belagerung entstanden erste Frauenorganisationen in Paris. In den Stadtteilen organisierte die Einwohnerschaft, dabei in der Mehrheit Frauen, ihren Schutz und ihre Versorgung selbst in „Wachsamkeitskomitees“. Die Beschaffung von Lebensmitteln und Brennmaterial war während der Belagerung von zentraler Bedeutung, was ja bekanntlich zu klassischen Frauenaufgaben gehört. Das Positive daran war, dass dadurch in den Arrondissements weibliche Netzwerke entstanden sind, über die sich Frauen zunehmend politisiert haben. In der Commune sahen sie dann ihre Möglichkeit gekommen und nutzten sie.
Mit dem Ausbruch der Commune beteiligten sie sich aktiv an der Tagespolitik und zeigten schon im Moment der Revolution, dass Kampf und Politik nicht ausschließlich den Männern vorbehalten sind. Sie mussten von Anfang an einen doppelten Kampf führen, gegen die Staatsmacht und gegen ein reaktionäres Frauenbild in den eigenen Reihen.
Im frühen Morgen des 18. März 1871 waren sie die ersten, die in den Straßen von Paris unterwegs waren, um Nahrungsmittel zu organisieren. Dadurch waren sie auch die ersten, die Alarm schlugen, als die Regierungstruppen versuchten die Kanonen aus der Stadt zu stehlen. Sie verzögerten den Abtransport durch Diskussionen mit den Regierungstruppen bis zum Eintreffen der Nationalgarde. So konnten sie die ersten Soldaten, die Hemmungen hatten auf Frauen und Kinder zu schießen, zum Überlaufen bewegen.
Mit dem Beginn der Kommune bildeten sich überall revolutionäre Frauenkomitees. Dennoch war ihnen der Zugang zum höchsten Gremium, dem Rat der Kommune, bestehend aus 90 Mitgliedern, verwehrt. Die Wahl fand 8 Tage nach dem Beginn der Pariser Kommune statt. Deshalb wurde wohl das alte Gesetz, dass Frauen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, nicht hinterfragt. Einige Wochen später hätten sich das die Frauen vielleicht schon nicht mehr gefallen lassen. In jedem Fall konnte das den Tatendrang der Frauen nicht verringern, vielleicht sogar verstärken: Sie setzten sich für gleiche Rechte in Ausbildung, Beruf und Gesellschaft ein. Sie organisierten selbstverwaltete Werkstätten, bildeten Frauengewerkschaften, gründeten Volksküchen, übernahmen die Neugestaltung des Erziehungswesen, versorgten und pflegten Verwundete und kämpften mit der Waffe in der Hand. Weiterhin verankert in den Wachsamkeitskomitees der einzelnen Stadtteile gelang es ihnen Einfluss auf politische Willensbildungsprozesse und Entscheidungen zu nehmen. Die größte Frauenorganisation war die Union des Femmes, die Frauenunion, die von der Russin Elisabeth Dimitrieff gegründet worden war. In den verschiedenen Frauenorganisationen trafen unterschiedliche Positionen aufeinandertrafen. Aber alle stritten für ein solidarisches, gleichberechtigtes Miteinander und alle waren ein sehr aktiver Bestandteil der Pariser Commune.
Louise Michel – Anarchistin, Lehrerin und unbeugsame Kämpferin für die Ideale der Commune bis zu ihrem Lebensende – beschrieb in ihren Memoiren den Aktionismus der Frauen: „Die Frauen fragten nicht danach, ob eine Sache möglich war, sondern ob sie nützlich war – und dann gelang es (…), sie durchzuführen.“
Die Commune hat die Aktivitäten der Frauen oft unterstützt. Einerseits finanziell andererseits durch die Bereitstellung von Räumen und Materialien. Sie erkannte, welch wichtige Stütze die Frauen waren und integrierte viele von ihnen in den Verwaltungsapparat, so dass Frauen zum ersten Mal die Funktion von Gemeinderatsmitgliedern ausüben konnten.
Zwei Dekrete der Commune setzten konkrete Forderungen der Frauen um: Erstens die Gleichstellung von Ehe und nichtehelichen Beziehungen auch hinsichtlich der Kinder. Außerdem wurde die kostenlose laizistische Pflichtschule für Alle und die Zulassung zum Studium eingeführt und die Lohngleichheit für Männer und Frauen durchgesetzt.
Es ist schwer zu sagen, wie viele Frauen sich an der Commune beteiligten. An den Versammlungen der Frauenunion sollen es zwischen 3.000 und 4.000 gewesen sein. Beim Marsch nach Versailles am 4. April sollen 10.000 Frauen teilgenommen haben. Im Mitte Mai in Montmartre gegründeten Frauenbataillon kämpften tausende Frauen.
Auch anhand von Gerichtsakten lässt sich keine konkrete Zahl belegen, weil die wenigsten Frauen und Männer der Kommune rechtskräftig verurteilt wurden. Allein bei den Kämpfen in der sogenannten „Blutwoche“ vom 21. bis 28. Mai, als Versailler Truppen Paris einnahmen, gab es 20.000 bis 30.000 Tote auf Seiten der Commune. Tausende davon wurden ohne offizielles Urteil exekutiert. Wir wissen nicht wie viele davon Frauen waren, wir wissen aber, dass sie zusätzlich sexueller Gewalt ausgesetzt waren.
Die Frauen der Pariser Commune kämpften und starben für ihre Ideale und Hoffnungen. Sie wurden dafür noch lange Zeit später durch die „Sieger“ in der Presse und in Karikaturen als Mannweiber und Dämoninnen diffamiert.
Die Tage der Kommune haben gezeigt, dass der Kampf um eine sozialistische Gesellschaft und um Frauenrechte international ist. Und dass direkte Demokratie und Gleichstellung von Frauen möglich sind. Die Pariser Kommune wirkte letztendlich nachhaltig auf revolutionäre Ereignisse der Geschichte und der Gegenwart, gerade auch in Sachen Frauenrechte und Frauenkämpfe. Sie inspirierte die internationale Frauenbewegung. Stets ging und geht es um die Suche nach Alternativen zum kapitalistischen und patriarchalen System.
In diesem Sinne wollen wir aus der Geschichte und aus aktuellen emanzipatorischen Gesellschaftsformen lernen und für unsere eigenen Kämpfe nutzen!


Teil 4: Was hat’s uns gebracht?
Die Kommune: Eine gescheiterte Revolution oder Inspiration für das Morgen?
150 Jahre nach der Pariser Kommune erinnern wir heute daran. Aber was bleibt? 20.000 , 30 000 Tote, die Zahlen variieren. Wieder eine gescheiterte Revolution. Und die Frage: War es das wert? Was hats gebracht?
Zumindest können wir aus den Fehlern von damals lernen: Militärisch handelten die Kommunard_innen mehr als dilettantisch. Das zeigt, wir dürfen unsere Gegner nicht unterschätzen, auch heute werden Macht und Privilegien nicht freiwillig hergegeben. Daher dürfen wir die Gewaltfrage nicht ausblenden, wenn wir über den Weg zu einer neuen Gesellschaft sprechen.
Völlig unverständlich ist heute auch, dass die kommunale Verwaltung das Geld der französischen Nationalbank nicht anrührte, obwohl dieser Schatz direkt vor ihrer Nase lag.
Gleichzeitig zeigte sich im militärischen Bereich der Geist der Commune: das stehende Heer wurde zugunsten einer Volksmiliz abgeschafft und man trat der Genfer Konvention zum Schutz von Verwundeten bei.
Es gilt also aus der Geschichte Lehren zu ziehen, und es gibt konkrete Errungenschaften der Pariser Kommune, die uns heute Mut machen. Die zeigen, dass unsere Utopie Wirklichkeit werden kann:
Zu allererst: In Paris herrschte direkte Demokratie: Das heißt, die Regierung war jederzeit abwählbar, auch alle Beamten konnten gewählt und abgewählt werden. Übrigens verdienten alle Beamten so viel wie ein normaler Arbeiter.
Der lebendigste Ort der Demokratie war jedoch nicht der Stadtrat, sondern die vielen Komitees in den Vierteln und die Clubs, in denen die Belange der Menschen debattiert wurden. Wichtiger als irgendwelche von den Kommunarden beschossenen Gesetze war schlicht die Art und Weise, wie sie durch ihre tägliche Arbeit verfestigte Hierarchien und Spaltungen aufbrachen, auch die Trennung zwischen manueller und künstlerischer oder geistiger Arbeit
Was die Kommune als politisch- gesellschaftliches Medium der Fabrik voraushatte war ihr breiterer sozialer Rahmen: Sie schloss auch Frauen, Kinder, die Bauernschaft, Alte und Arbeitslose mit ein. Gut, dass auch die heutige Linke beim Begriff Arbeiter_innenklasse nicht mehr nur an die am Fließband Schuftenden denkt.
Desweiteren wurde die Trennung von Staat und Kirche eingeführt, ein fundamentaler Fortschritt mit weitreichenden Folgen. Denn so konnten Schulen den Kindern aller Schichten zugänglich gemacht werden und waren noch dazu kostenlos.
Die radikalen Maßnahmen, mit denen die Arbeiter_innen ihren Alltag verbesserten, möchte ich ganz besonders hervorheben: die Arbeitszeit wurde von 16 auf 10 Stunden verkürzt und es gab ein Verbot der Nachtarbeit in Bäckereien.
Die Fabriken geflohener Werksbesitzer gingen in gesellschaftliches Eigentum über und wurden unter Arbeiter*innenkontrolle weitergeführt. Das heißt, sie wurden zu gemeinsam verwalteten Genossenschaften. Diese Aneignung der Produktionsmittel muss ein zentraler Schritt einer revolutionären Bewegung sein, damals wie heute. Es genügt nicht, Gleichheit im politischen Bereich, also durch Demokratie, zu schaffen, wirkliche Gleichheit wird es erst geben, wenn der gesellschaftliche Reichtum gleich verteilt ist.
Daher forderten viele der in Paris verbliebenen Theaterschaffenden, Komponisten und Maler in einem Manifest Luxus für alle und stellten ihre Kunst in den Dienst der Kommune. Die Theater wurden der Volksbildungskommission unterstellt. Mitglieder der Nationalgarde, Arbeiter und Frauen aus dem Volk nahmen erstmals selbstbewusst Besitz von den kulturellen Reichtümern und spazierten in den Parks der Reichen. Auch viele Chansons entstanden während der Belagerung von Paris.
Mitten in dieser Kriegssituation hatte die Revolution der Kommunard_innen Musik und verlangte nach Luxus. Damals wie heute geht es um ein gutes Leben für alle. Damit kann nicht unser jetziger Überfluss gemeint sein, dafür bräuchten wir drei Planeten Erde. Es geht um ein Leben in Würde und die Erfüllung unserer Bedürfnisse.
Doch was bringt uns der Blick in die Vergangenheit? Sind wir heute nicht meilenweit von einer revolutionären Situation entfernt? Stimmt, aber die die Kommune ist auch nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Die Kommune begann lange vorher in den letzten Jahren des Kaiserreichs in den Clubs der Arbeiter_innen, in den zahlreichen politischen Versammlungen und Komitees. Die Internationale Arbeiter Assoziation hatte großen Einfluss auf die Kommunard_innen, genau wie die revolutionäre Stadtverwaltung während der französischen Revolution. Diese Art der Vorarbeit können auch wir heute leisten.
Vieles was uns heute selbstverständlich erscheint, wie öffentliche Schulen, das Scheidungsrecht, die Trennung von Staat und Kirche, musste hart erkämpft werden. Menschen haben dafür ihr Leben gelassen. Jeder Angriff auf unsere Rechte muss abgewehrt werden, das sind wir den Toten und unseren Kindern schuldig. Unsere heutigen Rechte, unsere momentane Gesellschaftsordnung ist nicht das Ende der Fahnenstange, wenn wir wirkliche Gleichheit und Gerechtigkeit wollen, ist noch Luft nach oben. Das zeigt uns das Beispiel der Commune.
Doch bereits heute verwalten sich Gemeinschaften fast so wie damals in Paris. Die zapatistischen Gemeinden in Mexiko und die Region Rojava in Nordsyrien haben eine direkt gewählte Räteregierung. Es gibt dort die Versuche, die Wirtschaft anders zu gestalten, durch Kooperativen und Genossenschaften, und die Befreiung der Frau steht sowohl im zapatistischen Mexiko als auch in Rojava ganz oben auf der Agenda.
Abschließend gilt festzuhalten: Die Kommunard_innen von Paris haben viele Fehler gemacht, es gab keinen Masterplan der Revolution, doch dient uns die Kommune bis heute als Inspiration: In diesem Sinne zitiere ich die Zapatist_innen: Fragend schreiten wir voran.


Teil 5: Das große Commune Quiz!
Kommune – Quiz
→ Die Lösung für das Quiz ergibt sich aus den Buchstaben der richtigen Antworten
in der Reihenfolge 1 bis 12 ←
Wir wünschen euch viel Spaß beim Rätseln 🙂
1. Wie lang dauerte die Pariser Kommune?
R) 7 Wochen
P) 7 Monate
L) 72 Tage
2. Welche berühmte Anarchistin war Teil der Kommune?
B) Emma Goldman
U) Louise Michel
A) Voltairine de Cleyre
3. Welches Dekret wurde zu Gleichstellung von Mann und Frau erlassen?
T) gleiche Kleidung
E) gleiche Schule
X) gleicher Lohn für gleiche Arbeit
4. Wo waren Frauen – trotz aller Fortschritte – nicht vertreten?
U) im Kommune-Rat
S) in der Bäckerei Ausbildung
O) in der Volksmiliz
5. Welches große Ziel hatten viele Kommunard*innen?
I) Europäische Union
G) Zentralistisches Frankreich
S) Weltrepublik
6. Wie verteidigte sich die Kommune nach außen?
E) mit Rentner-Cops
F) mit einer Volksmiliz
A) mit Söldner*innen
7. Was wurde zur Bildung von Kindern umgesetzt?
Ü) Kinder aller Schichten sollten zur Schule gehen können.
D) Es gab kostenlose Schultüten.
L) Ein verpflichtendes Jahr im Kloster wurde festgelegt.
8. Wie wurde der Vendôme-Platz nach dem Sturz der Napoleon – Statue während der Zeit der Kommune umbenannt?
M) Place Napoleon
R) Place Internationale
N) Place Nation
9. Wie hieß die größte Frauen-Organisation der Pariser Kommune?
I) Landfrauenbund
O) Vereinte Kommunist*innen
A) Union des Femmes
10. Welche Institutionen wurden strikt voneinander getrennt?
L) Staat und Kirche
S) Betriebsrat und Gewerkschaft
U) Eigentümer*innen und Arbeiter*innen
11. Für welche Berufsgruppe wurde die Nachtschicht verboten?
S) Zimmersleute
L) Bäcker*innen
P) Lehrkräfte
12. Wie bekämpfte die Kommune die Obdachlosigkeit?
E) Enteignung leer stehender Gebäude
A) Verteilung von Zelten
N) gar nicht
Wenn ihr wissen wollt, ob ihr richtig liegt, markiert folgenden Bereich.
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Lösung: Luxus für alle
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