„Es gibt kein Recht auf Faulheit“ sagte einst Gerhard Schröder. Und führte dann mit seinen Genossinnen und den Grünen auf breiter Front Hartz4 ein. Friedrich Merz betont immerwährend “Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ und zitiert damit die hohlen Arbeitsphrasen aus der Lutherbibel, übrigens ganz wie die Regierung der ehemaligen UdSSR 1936. “Die Arbeit ist Pflicht und Ehrensache jedes arbeitsfähigen Staatsbürgers der UdSSR.“ “Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.” hieß es auch in ihrer Verfassung. Auch in der SED Führung der DDR ist man sich einig gewesen, über den “Asozialenparagraph 249” Menschen inhaftieren zu können, die sich der Pflicht zum Arbeiten widersetzen. Hitler machte den Gedanken der Arbeitsdienstpflicht zu einem „Grundpfeiler“ seines Regierungsprogramms, wie er in seiner ersten Rundfunkansprache betonte und die Faschistinnen wandelten kurzerhand den Kampftag der Arbeiter*innenbewegung in den Tag der Arbeit um.
Was haben all diese Staatsformen gemeinsam? Die Lohnarbeit ist einer der Grundpfeiler des Kapitals in all seinen Formen. Dort wo sich Staaten jeglicher Coleur absurderweise einig sind oder waren, halten wir dagegen. Wir halten dagegen, weil wir diese Lohnarbeit verachten, weil wir keinen Bock auf moderne Sklavenarbeit wie Leiharbeit, Hartz 4, Arbeitsdienstpflicht oder Asozialenparagraphen haben. Wir wollen gemeinschaftlich arbeiten, nicht für die Logik des Kapitals in all seinen Facetten. Dem Recht auf Arbeit setzen wir das Recht auf Wohlstand entgegen. Wer die Lohnarbeit nicht als Ordnungsfaktor der jeweils herrschenden Klasse bekämpft, bejaht die weltweiten Übergriffe der Polizei auf selbstverwaltete Arbeiterinnenstrukturen und gewerkschaftliche Selbstbestimmung. In der Logik sind wir alle nützliches oder unnützes Humankapital. Diese Einteilung entscheidet auch oft über Leben und Tod, denn sie schwebt z. B. wie ein Damoklesschwert über dem Aufenthaltsstatus schutzsuchender Migrantinnen in Deutschland.
Wer die Lohnarbeit nicht als verachtenswert empfindet, weil man doch lieber nach unten tritt als sich mit seinem Boss anzulegen, wer nach wie vor der Meinung ist, Hierarchien sind besser als Kollektive, geht Hand in Hand mit denen, die vor klassistischem Hass und Wut innerlich kollabieren, sobald sie Worte wie Streik oder Arbeitslos hören.
Wir stehen als Anarchistinnen hier, um die Lohnarbeit in all ihren Facetten anzugreifen. Wir stehen aber auch hier um all denen zu gedenken, die ihr Leben lassen mussten, weil sie gegen Lohnarbeit protestiert haben und vom Staat ermordet wurden. Wir erinnern an die Anarchistinnen des 1.Mai Aufstands von 1886, die die ersten Massenstreiks in der Geschichte der USA mitorganisiert haben und dann gehängt wurden. Einem 1.Mai, an dem sich bis heute die Arbeiter*innenbewegung orientiert und ein Grund, warum wir heute hier an diesem geschichtsträchtigem Datum zusammen kommen und gemeinsam demonstrieren.
Am 1.Mai 1886 wurde in den USA erstmals landesweit für den 8h Stunden Tag demonstriert. Was ist davon geblieben, fragen wir uns? Wenn Überstunden dazu führen, das aus einer 40h Woche grundsätzlich 50h oder 60h werden oder darüber geredet wird, wieder die Wehrpflicht oder das sogenannte Dienstjahr einzuführen, wenn permanent darüber spekuliert wird, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, dann müssen wir darüber reden und vor allem handeln. Wenn Kolleginnen sich nicht mehr trauen, sich krankschreiben zu lassen, weil sie damit ihre Mitarbeiterinnen im Stich lassen müssen, dann ist es höchste Zeit, diese Missstände anzugreifen und eigene kollektive Strukturen aufzubauen.
Wenn ein Heer von Arbeitslosen durch landesweite Jobcenter verwaltet werden, damit sich die feinen Herren das Beste raus picken können und sich der Rest aufgrund von Existenzängsten und Konkurrenz untereinander an die Gurgel geht, dann ist es ebenso höchste Zeit, uns mit diesen Menschen zu solidarisieren und mit ihnen gemeinsam kollektiv zu wirtschaften, anstatt sie als faule, ausplündernde Sozialstaatsschmarotzer und Schnorrer zu diffamieren.
Der Aufbau von solidarischen selbstbestimmten Arbeitsstrukturen als wichtiger Schritt zu einer konsequenten solidarischen Ökonomie kann die Lohnarbeit auf lange Sicht abschaffen. Der Staat wird alles tun, um dies zu verhindern. In Frankreich geht die Regierung mit Erhöhung des Rentenalters auf Frontalkurs, in Griechenland werden Betriebsräte verpflichtet, die Daten aller ihrer Mitglieder in einem digitalen Register abzugeben. Um überhaupt Tarifverträge verhandeln zu können, wird ihnen die Schlichtungsrolle weggenommen, so dass sie diesbezüglich nicht mal mehr die Arbeitgeber*innen anklagen können.
In Deutschland wird beim kleinsten Streik von Bürgerinnen in Geiselhaft gefaselt und beständig die Tarifautonomie angegriffen. Der Generalstreik ist verboten. Der politische Streik ist verboten. Wilde Streiks werden in Deutschland mit Lohnentzug und Kündigungen bestraft, da sie sich nicht der kapitalistischen Ordnung beugen. All diese Dinge, geboren aus Bismarckscher Tradition, nationalsozialistischer Ideologie und antikommunistischen Ressentiments bis hin zum stark beschränktem Streikrecht der BRD sind das Ergebnis jahrzehntelanger Zerschlagung der Arbeiterinnenbewegung.
Es ist höchste Zeit, uns unserer Stärke als Arbeiter*innen wieder bewusst zu werden und diese Rhetorik mit all ihren ideologischen Facetten zu bekämpfen.
Wann wenn nicht jetzt!
Daher lasst uns heute gemeinsam demonstrieren, gegen die Lohnarbeit, für den Generalstreik, für unser Recht auf Wohlstand und für den Anarchismus!