Eine befreite Gesellschaft, eine anarchistische Gesellschaft ist eine ohne Unterdrückung, eine Gesellschaft ohne Herrschaftssysteme. Neben Kapitalismus, der ökonomischen Unterdrückungsform, und dem Staat, der Unterdrückung auf Ebene der gesellschaftlichen Verwaltung und Gesetzgebung, muss auch das Patriarchat als Unterdückungsform benannt werden. Es ist eine wesentlich ältere Form der Herrschaft und so tiefgreifend und bewusstseinsprägend, dass sie oft nicht bis in den Kern erkannt wird. Sie bildet Identitäten heraus, so dass der Feminismus für einige Menschen wie eine Existenzbedrohung wirkt. Nicht mehr der herrschende Mann zu sein, der sich die Menschen um sich herum gefügig machen kann, ist für manche wie eine Selbstaufgabe. Tatsächlich ist es aber anders: Existenzbedrohend ist die patriarchale Geselschaft. Täglich werden Frauen und Menschen anderer Geschlechter ermordet aufgrund ihres Nicht-männlich seins. Viele, die zum Glück nicht von dieser Gefahr bedroht sind, müssen dennoch kämpfen: Darum, ihr Leben so zu leben wie sie es möchten. Sei es, dass sie sich ohne Angst vor Gewalt im öffentlichen Raum bewegen können, sei es, dass sie aus gewaltvollen Beziehungen ausbrechen können, dass sie einen Beruf erlernen, der ihnen gefällt, auch wenn er als typisch männlich gesehen wird, oder sei es, auch einfach nur ernst genommen zu werden mit eigenen Ansichten und Bedürfnissen. Das Zurückstecken hinter dem Ehemann oder Partner, Vater oder Bruder ist für viele immer noch normal. Zu viele von uns haben gar nicht gelernt, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen, weil die nie wichtig waren.
Feminismus und Anarchismus sind daher für uns untrennbar verbunden. Das anarchistische Ideal der herrschaftsfreien Gesellschaft beinhaltet nicht nur die Abwesenheit von Gewalt, sondern auch das gemeinsame Streben nach der Befriedigung unser aller Bedürfnisse ohne Konkurrenz.
Der Anarcha-Feminimus hat sich daher in Abgrenzung zum bürgerlichen Feminismus entwickelt. Der bürgerliche Feminismus hat zwar vieles für Frauen erreicht, aber noch lange nicht genug. Denn er hat 2 Seiten: Eine gute wenn es um die Stärkung der Rechte von Frauen in der Gesellschaft geht. Z. B. Schutz vor Gewalt, Möglichkeit der Scheidung oder einen eigenen Beruf zu erlernen. Er hat aber auch eine schlechte Seite: Der ganze Mist, den Männer in den letzten Jahrhunderten gemacht haben sollen Frauen nun auch machen können: Ausbeutung von Mensch und Natur unter weiblicher Unternehmensführung. Kriegseinsätze jetzt auch mit Frauen im Militär. Dicke Autos mit 300 PS jetzt auch für die weibliche Zielgruppe. Nein, das ist nicht unser Feminismus!
Und nicht zu vergessen: Diese bürgerlichen Rechte sind Klassenrechte. Wo beide Ehepartnerinnen gut verdienen, ist eine Scheidung nicht so schwer. Wo aber beide gerade so zu zweit die Miete zahlen können, ist eine Scheidung oft nicht möglich. Frauen mit Geld können es sich leisten, der Doppelbelastung durch Lohn- und Hausarbeit zu entgehen. Aber wer macht dann die Hausarbeit? Das sind wiederum Frauen aus ärmeren Gesellschaftsschichten, häufig Migrantinnen. Es hat sich also etwas verschoben, aber nicht aufgelöst. Deshalb ist Feminismus immer in globalen und Klassen-Zusammenhängen zu denken.
Der bürgerliche Feminismus hat die Überwindung des Patriarchats und all seiner Folgen nicht konsequent angestrebt, er hat das Problem der Konkurrenz und ihres Urprungs im patriarchalen Kapitalismus nicht erkannt und ist daher fast komplett befriedet.
Die Stadt Regensburg macht Aktionen zum sogenannten “Weltfrauentag”. Und niemanden stört es. In einer Welt der täglichen Morde an Frauen und queeren Personen und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch Patriarchat und Kapitalimus, dessen Opfer auch wiederum in erster Linie Frauen und queere Personen sind, muss Feminismus stören! Dieser Tag ist ein Kampftag! Für die befreite Gesellschaft, für die Zerschlagung des Patriarchats, hier und überall auf der Welt.
Lasst uns bei uns anfangen und dabei die Lebensrealitäten anderer Menschen nicht aus den Augen lassen. Gegenseitige Hilfe und Care-Arbeit von und für alle ist ein Anfang. Wenn in deiner Polit-Gruppe immer FLINTAs für das Kochen und Abwaschen verantwortlich sind, warte nicht, bis sie dich um Unterstützung bitten, mach es einfach. Bei deiner Familienfeier räumen immer die Frauen auf, während die Männer am Grill stehen und Bier trinken? Mach es anders. Hilf mit und sprech das Problem an. Das Ansprechen von Gewalt im eigenen Freundinnen-Kreis ist notwendig. Wenn dein Kumpel übergriffig wird, ist es auch deine Aufgabe, das anzusprechen. Wenn jemand “nur so aus Spaß” sagt, er wolle seiner Ex-Freundin etwas antun: Das ist kein Spaß! Nimm das ernst und zeige dem Menschen die Grenzen auf. Werdet keine Buddies von Gewalttätern! Es ist nicht feminstisch, das auszuhalten und sich als eine von wenigen durchzusetzen und auch eine große Klappe zu haben. Es ist feministisch, Betroffene zu unterstützen, auch mit liebevollen Worten und Taten ihnen gegenüber, nicht nur mit lauter Abgrenzung gegenüber Tätern. Glaube Betroffenen von sexualisierter Gewalt. Leider kommen diese Dinge öfter vor, als wir es uns vorstellen können. Du hast ein bisschen Geld übrig? Unterstütze das Frauenhaus mit einer Spende. In deinem Freundinnenkreis wird über Abtreibung diskutiert? Mach klar, dass die Entscheidung bei der schwangeren Person liegt und zwar ganz allein bei ihr. Wird sind keine Brutkästen.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Feminismus Praxis werden zu lassen. Du kannst jeden Tag damit anfangen – heute ist ein besonders guter Tag dafür.
