Friede – ein Wort, das wir gerade überall hören und lesen. Es steht auch im Namen des Bündnises, von dem wir Teil sind und in dessen Rahmen wir hier heute sprechen.
Friede – von wem, mit wem, durch was? Da wird´s dann schon schwierig. Da gehen die politischen Einstellungen und Quellen der Information in unserer Gesellschaft dann doch sehr weit auseinander. Wo Rüstungskonzerne stehen ist klar: Mit Waffen kann man nur da Geld machen, wo Menschen ermordet werden. Da gilt nur eins: Rheinmetall entwaffnen! Und alle anderen Rüstungskonzerne gleich mit.
Aber wie sieht es mit anderen Positionen aus? Die einen hissen ihre Peace-Fahne neben der Ukraine-Fahne im Garten und kaufen nix im russischen Supermarkt. Die anderen sagen, die Ukraine solle halt die besetzten Gebiete aufgeben, dann is wieder Ruhe im Karton. Oder sehen sogar den russischen Staat als Opfer und rechtfertigen den Angriffskrieg als Präventivschlag.
Wieder andere sehen in der NATO und Millardenausgaben für die Bundeswehr einen Beitrag zum Frieden. Die NATO und die Bundeswehr für Menschenrechte – da können wir nur zynisch lachen. Um es mit den Worten unserer Freundinnen von Anarchist Black Cross Dresden zu sagen: “Wir denken ebenfalls nicht, dass in der Ukraine westliche Werte verteidigt werden, denn diese vermeintlichen Werte sind geprägt von Kapitalismus, Rassismus, Postkolonialismus, Ausbeutung und vielen anderen Aspekten.” Als Anarchistinnen machen wir uns keine dieser Positionen zu eigen. Das alles ist absurd und wird den Opfern dieses Säbelrasselns nicht gerecht. Wir stehen solidarisch hinter allen Unterdrückten, seien es Menschen in Russland, die unter der Diktatur leiden oder seien es die Menschen in der Ukraine, die unter dem Krieg leiden und von der Regierung zum Kriegsdienst gezwungen werden.
Wir sehen hier deutlich: Die Bevölkerung, das sind die Bauern auf dem Schachbrett der Herrschenden. Weder ihre Bedürfnisse noch ihre Haltung werden gesehen und ernst genommen. Die Menschen in den Ländern werden mit den Regierungen gleichgesetzt, was Putin denkt, denken alle in Russland, was Selensky denkt, denken alle in der Ukraine. Es ist verständlich, sich und seine Nächsten auch militant zu verteidigen, aber was ist mit den Menschen, die bei diesem Krieg nicht mitmachen wollen, die nicht für einen Staat ihr Leben riskieren wollen? Die deutsche Regierung tut so, als stünde sie an der Seite der Menschen, aber Asyl ist für Deserteure nach wie vor schwer zu bekommen. Der Nationalstaat, und sei es auch der russische, steht über den einzelnen Menschen.
Bereits 2004, lange vor dem Krieg, flohen jährlich 40.000 Menschen vor der Wehrpflicht in Russland. Viele, die nicht fliehen können oder wollen, begehen später Selbstmord oder kehren traumatisiert zurück. Dies bedingt wiederum zum Teil die häussliche Gewalt in Russland. Die Union der Komitees der Soldatenmütter macht schon lange auf diese Situation aufmerksam und ist auch im aktuellen Kriegsgeschehen eine der letzten Stimmen, die öffentlich Kritik an der Militärführung äußern kann und tut. Kriegsdienstverweigerung gilt als internationales Menschenrecht. In Deutschland geht mit der Kriegsdienstverweigerung ein Flüchtlingsstatus einher, vorausgesetzt die Person kann darlegen, dass sie sich an Kriegsverbrechen oder an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligen müsste. Für bereits desertierte gibt es ebenfalls Asyl, vorausgesetzt betreffender Person wurde eine Kriegsdienstverweigerung verwehrt. Hierzu muss allerdings ein Einberufungsbefehl erteilt worden sein. Für ukrainische Wehrdienst-Verweigernde sieht es anders aus. Sie bekommen zwar ein Visa, aber die Asylgewährung ist schwieriger, da sie nicht in der angreifenden Armee dienen müssen. Kehren sie später in die Ukraine zurück, können ihnen sogar Strafen drohen. Diese Strafdrohung bildet aber eigentlich die Grundlage für das Recht auf Asyl aufgrund von Kriegsdienstverweigerung. Eine Untersuchung von 2020 hat ergeben dass unter andrem die Rechtsprechung in der EU daran festhält, dass es sich bei “der Wehrpflicht um eine allgemeine staatliche Pflicht handelt, die alle Bürger (oder jedenfalls alle Bürger im wehrfähigen Alter und gegebenenfalls männlichen Geschlechts) gleichermaßen trifft; Strafverfolgung und Bestrafung für eine Verweigerung wird daher als legitimes staatliches Handeln eingestuft”. Das sind dann wohl diese westlichen Werte, die die EU in der Ukraine verteidigen will?
Was also tun gegen diesen und andere Kriege? Was tun gegen permanente Aufrüstung? Wir müssen uns klar machen: Kriege werden nicht weniger, sie haben einen klaren Zweck. Zum einen verdienen mächtige Konzerne damit ihr Geld, zum anderen geht es um die Aneignung von Ressourcen, Land und Einflussbereichen. Dabei konkurrieren verschiedene Staaten und Bündnisse miteinander. Kriege werden aber nicht nur aus Angst vor konkurrierenden Bündnissen geführt, sondern auch aus einem eigenen, imperialistischen Anspruch, mit dem das eigene Land überhöht wird. Oder auch um von innenpolitischen Spannungen abzulenken. Allen Akteuren ist gemein, dass sie nicht das Wohl der Menschen im Sinn haben. Was also tun gegen Kriege?
Wir haben keine Lösung, zumindest keine schnelle. Wie sollten wir auch. Aber wir haben eine klare Orientierung: antiautoritärer und antistaatlicher Widerstand. Dafür sehen wir wichtige Aktionen, die Kriegshandlungen schwächen. Es sind Sabotage-Aktionen, zum Beispiel an Gleisen und Militärgeräten oder der Angriff auf Rekrutierungsbüros. Russische Partisaninnen aus der anarchistischen und kommunist*ischen Bewegung und andere Menschen verüben sie, um die Regierung zu schwächen. Auch in Belarus wurden Gleise sabotiert, um die Lieferung von Rüstung an die Front zu verhindern.
Daher gilt für uns: Weder NATO noch Russland! Für einen echten Antimilitarismus! Krieg den Staaten und Nationen!
Weiterführende Links zur Rede:
Anarchistischer Antimilitarismus:
https://emrawi.org/?Anarchistischer-Antimilitarismus-und-Mythen-uber-den-Krieg-in-der-Ukraine-2478
Kriegsdienstverweigerung:
de.wikipedia.org/wiki/Kriegsdienstverweigerung#Internationales_Recht
de.wikipedia.org/wiki/Totalverweigerung#Russland
Zahlen zu Deserteuren und Verweigerern im Ukraine-Krieg:
de.connection-ev.org/article-3547
Komitee der Soldatenmütter in Russland:
de.wikipedia.org/wiki/Union_der_Komitees_der_Soldate nmütter_Russlands
Asyl fü Deserteure:
https://www.2mecs.de/wp/2022/04/asyl-fuer-deserteure-aus-russland-belarus-ukraine/