Zunächst kurz zum Begriff Arbeiter:innen: Wir haben ein eher breites Verständnis davon und meinen mit diesem Begriff nicht nur Lohnarbeitende, sondern auch Menschen, die ohne Lohn zu erhalten Reproduktionsarbeit leisten, Menschen die Transferleistungen wie Harzt 4 oder Rente beziehen, arme Menschen und einen großen Teil der Studierenden und Schüler:innen. Wir meinen alle diejenigen, die von Löhnen oder sozialstaatlichen Leistungen abhängig sind oder gar nichts bekommen.
Nun zum heutigen Kampftag: Als Arbeiter:innen im Mai 1886 in den USA für ihre Rechte demonstrierten und 7 Anarchist:innen von der damaligen Justiz für ein Attentat zum Tode verurteilt wurden, das ihnen nicht nachgewiesen werden konnte, läuteten sie damit einen bis heute andauernden weltweiten Kampftag ein. 136 Jahre später stehen wir in der Tradition des 1. Mai hier in Regensburg, weil wir wissen, dass der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung noch lange nicht vorbei ist.
Anfang April 2022 urteilte das Landgericht Berlin: Die Entlassung einiger Fahrradkurier:innen vom Lieferdienst Gorillas nach ihrer Teilnahme an einem “Wilden” Streik war rechtens. Gegen diese Kündigung hatten 3 Kurier:innen geklagt. Das Gericht hält die Entlassung 3 Kläger:innen aber für rechtens, denn ein Streik sei nur dann zulässig, wenn er von einer Gewerkschaft getragen wird. Damit schließt es sich dem Bundesarbeitsgericht an. Dort hat der schon in der Nazizeit aktive Rechtswissenschaftler Nipperday in den 60er Jahren die Demontage von politischen und verbandsfreien Streiks erfolgreich betrieben. Mit solchen Urteilen wird nicht nur gegen das Grundrecht, sondern auch gegen Europarecht und Völkerrecht verstoßen. Nirgends steht, dass Streiks nur von Gewerkschaften durchgeführt werden dürfen.
Aber in Deutschland wurde den Gewerkschaften die Rolle des Ordnungsfaktors zugewiesen, die sie dankbar angenommen und sich zur Sozialpartnerschaft entschlossen haben. Die Idee der Sozialpartnerschaft basiert auf der Annahme, es könne einen Konsens zwischen Arbeiter:innen und Kapitalist:innen geben. Diese Idee bricht mit dem Widerspruch, der dem Kapitalismus zugrunde liegt: Die einen können die anderen für sich arbeiten lassen, weil die einen die Produktionsmittel besitzen und die anderen nicht. Dass die einen Fabrik, Produktionsmittel und Land besitzen und die anderen nicht, hat nichts mit unterschiedlicher Leistung oder ähnlichem zu tun, sondern es kam durch Verteilungskämpfe, durch Aneignung, Ausbeutung und Erbschaft dazu. Wir sehen das aktuell an der Aneignung indigener Ländereien durch Großkonzerne z. B. im Amazonas-Gebiet, in Mexiko, in Kanada und in anderen Regionen.
Dieser Widerspruch hinsichtlich der unterrschiedlichen Möglichkeiten der Klassen war vielen Arbeiter:innen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderst klar, weshalb sie die ersten Kollektive zur Durchsetzung ihrer Interessen gründeten. Das waren die ersten Gewerkschaften oder gewerkschaftsähnlichen Verbände. Viele der Menschen in diesen Kollektiven hatten das Bewusstsein und den Willen, dass der Arbeitskampf letztendlich in der Beseitigung der kapitalistischen Zustände gipfeln muss. Die Sozialpartnerschaft der großen Gewerkschaften bricht folglich mit diesem Ursprung der Arbeiter:innen-Bewegung. Die einzige Gewerkschaft übrigens, die nicht mit diesem Ursprung bricht, ist die anarcho-syndikalistische Freie Arbeiter:innen Union, die FAU.
Das Berliner Gerichtsurteil zum “Wilden”, zum verbandsfreien Streik bestärkt das sozialpartnerschaftliche System und nimmt den Menschen die Möglichkeit, sich ohne Angst vor dem Verlust der Existenzgrundlage radikal für die eigenen Interessen einzusetzen. Es gilt das Prinzip: “Auch ein Streik muss kontrollierbar bleiben! Streiken gut und schön, aber bitte kein ernsthafter wirtschaftlicher Schaden!“ Das ist absurd, denn genau darum geht es bei einem Streik: Zu zeigen, dass der Laden nichts ist ohne die Arbeitskraft der Arbeiter:innen. Gewinne können nur erzielt werden, wenn Arbeiter:innen arbeiten. Ein Streik hat deshalb immer zum Ziel, wirtschaftlichen Schaden zu verursachen und damit den Druck zu erhöhen.
Alle Formen des Streiks sind richtig und notwendig, um die Interessen der Arbeiter:innen durchzusetzen. Doch “Wilde” Streiks brauchen wir genau da, wo Gewerkschaften untätig bleiben oder wo Menschen sich selbst vertreten wollen. Ihnen diese Möglichkeit zu nehmen, indem eine Entlassung als rechtens erklärt wird, ist ein Angriff auf die Selbstbestimmung und Selbstorganisation aller Arbeiter:innen!
Wir stehen hinter den Fahrradkurier:innen von Gorillas und wünschen ihnen allen Erfolg bei der Klage in der nächsten Instanz! Hoffnung macht ein neues Urteil des Arbeitsgerichtes Berlin, das erstmals die Kündigung eines anderen Gorilla-Fahrers wegen der Teilnahme an einem verbandsfreiem Streik für unwirksam erklärt hat.
Wichtig ist auch, Streiks nicht nur für den Kampf um eigene Arbeitsbedingungen, sondern als Mittel gegen Herrschaft und Krieg einzusetzen. In Italien zeigen uns die Basisgewerkschaften wie das funktioniert. Hafen- und Flughafenarbeiter:innen weigern sich immer wieder, Waffen und andere Kriegsgüter zu verladen. Aktuell haben sie sich geweigert, als humanitäre Hilfe getarnte Waffen für die Ukraine zu verladen.
Doch es gibt noch andere Mittel, das Getriebe des Systems am reibungslosen Ablauf zu hindern. Auch mit direkten Aktionen können wir in den ökonomischen und politischen Ablauf eingreifen, ohne uns auf`s Demonstrieren zu beschränken. Sabotage-Aktionen zählen darunter. In Belarus wurden zum Beispiel Gleise zerstört, so dass das russische Militär nicht mehr mit Ausrüstung versorgt werden konnte und somit in seiner Kriegshandlung eingeschränkt wurde. Wir begrüßen solche Aktionen! Auch die Kriegsdienstverweigerung, die im sogenannten Desertieren gipfeln kann, stellt eine Form der Verweigerung und des individuellen Streiks dar. Das ist aktuell ein wichtiges Thema, da Dersertieren nicht als Asylgrund anerkannt wird. Wir fordern die sofortige Anerkennung aller Deserteure!
Wie auch immer, ob durch individuelle Verweigerung, Sabotage oder kollektive Organisation in Form eines Streiks: Lasst uns gemeinsam gegen Ausbeutung, Staat, Krieg und Militarismus kämpfen! Wir wollen den Generalstreik und die Übernahme der Produktionsmittel, denn wir wissen selber was zu tun ist, die Fabriken gehören uns!
